„Herzlich willkommen zu ‘Anpfiff’. Beginnt jetzt eine neue Fußballepoche? Ich weiß es nicht.“

So begrüßte RTL-Moderator Ulli Potofski im Jahr 1988 die Zuschauer zur ersten Ausstrahlung von „Anpfiff“, einer Show rund um die deutsche Fußball-Bundesliga, die die hiesige Sportwelt ein für alle Mal verändern sollte.

 

Ausschlaggebend hierfür: Der wenige Monate zuvor vollzogene Erwerb der Bundesliga-Rechte durch den Privatsender RTL plus und die damit verbundene Ankunft der Sportberichterstattung im Privatfernsehen.

 

Ein Schritt, der weitreichende Folgen nach sich zog. Denn: Von nun an war Sport nicht mehr nur Sport, sondern auch sündhaft teure Ware – die darauf abzielt, auf werbewirksame Weise die Aufmerksamkeit eines Massenpublikums zu generieren.

Diese Metamorphose wiederum hat zuerst in der Berichterstattung und später auch in Bezug auf den Sport selbst zu einschneidenden Veränderungen geführt. Der „Sport-Medien-Komplex“, das bis heute enge Zusammenspiel von Medien, Sportverbänden und Werbung war geboren.

Gleichzeitig nahm die Kommerzialisierung sportlicher Wettkämpfe lawinenartig ihren Lauf.

Es entwickelte sich eine zunehmende Abhängigkeit einzelner Sportarten von Zuwendungen aus dem Medienbereich, dessen Ziel es bis heute ist, mit seinen Formaten ein möglichst großes Publikum für Werbeträger vor den Bildschirmen zu versammeln.

Für den Sport selbst stellt diese Entwicklung sowohl einen Fluch als auch einen Segen dar – und das in vielerlei Hinsicht…

 

Wie das Privatfernsehen die Sportwelt verändert hat:

 


 

„Die Sportschau ist tot, lang lebe die Sportschau“

Die ersten Player im Sportsystem, die die revolutionären Umwälzungen durch den Einstieg privater TV-Anbieter zu spüren bekamen, waren naturgemäß die klassischen öffentlich-rechtlichen Berichterstatter – alle voran das Format der ARD „Sportschau“.

Seit 1961 hatte diese im Dienste ihres gesetzlichen Sendeauftrags auf informative Art und Weise über sportliche Highlights berichtet. Im Zentrum der Berichterstattung standen dabei fast ausschließlich Informationen über die Wettkämpfe an sich.

 

Video: Fragment einer Ausstrahlung der ARD Sportschau aus dem Jahr 1982 – präsentiert von Moderatorenlegende Ernst Huberty. (Quelle: YouTube/RetroTV200)

 

Wie aus der Sportberichterstattung Entertainment wurde

Dies sollte sich mit dem Einstieg privater Rundfunkanstalten schlagartig ändern. Denn von nun an rückten neben dem Geschehen auf den Spielfeldern zunehmend Komponenten der Unterhaltung in den Mittelpunkt der Berichterstattung.

Inwiefern diese Entwicklung als revolutionär zu werten ist, zeigt sich am Vergleich der klassischen Bundesliga-Präsentation der „Sportschau“ (ARD) und der des neuen privaten Parallel-Formats „Anpfiff – die Fußballshow“ (RTL plus) in den Jahren von 1988-1992.

Während die ARD in ihrer Sportschau, die, weil der Privatsender noch nicht überall terrestrisch zu empfangen war, weiterhin von der Bundesliga berichten durfte, an ihrem biederen Nachrichten-Stil festhielt, fuhr RTL plus mit „Anpfiff“ in dieser Zeit plötzlich ganz neue Geschütze auf.

 

Video: Das Intro von Anpfiff, der ersten Fußball-Show im deutschen Privatfernsehen. (Quelle: YouTube/TVnostalgie)


 

Wie der Name „Anpfiff – die Fußballshow“ schon sagt, war Sport dabei nicht mehr nur Sport, sondern auch Entertainment.

Im Studio saßen plötzlich Zuschauer, denen eine Vielzahl Live-Interviews mit Spielern und Trainern geboten wurden. Darüber hinaus äußerten sich teils illustre Studiogäste (etwa RTL-„Sexpertin“ Erika Berger oder St. Paulis Edel-Domina Domenica) zum Geschehen auf und vor allem abseits des Rasens.

Mit dem Sport an sich hatte all dies freilich immer weniger zu tun. Doch die bis zu drei Stunden, die RTL von nun an dem Fußball am Samstagabend einräumte, wollten ja irgendwie gefüllt werden. Zumal das Publikum in den heimischen Wohnzimmern daran schon alsbald Entzückung fand.

Die Folge: „Anpfiff“ lief der „Sportschau“ in der Zuschauergunst rasch den Rang ab – weshalb sich für das altbackene ARD-Format ein Tod auf Raten ankündigte.

Endgültig besiegelt schien dieser im Jahr 1992, als Sat. 1 sich mit „ran“ sämtliche Erstverwertungsrechte an der Fußball-Bundesliga sicherte.

 

Video: Mit seinem Format “ran” hob der Privatsender Sat. 1 die Bundesligaberichterstattung auf ein völlig neues Niveau. (Quelle: YouTube/BVBomme09)


 

Fortan war die Kommerzialisierung des Sports nicht mehr zu stoppen. Denn, was das anfangs in den höchsten Tönen gelobte Format an Unterhaltung bot, war in dieser Form völlig neu. Es begann das Zeitalter der Eckenstatistiken, Gewinnspiele und Zeitlupen aus verschiedensten Blickwinkeln.

 

“Auch bei der Berichterstattung steht nicht das 1:0 im Vordergrund, sondern die Journalisten passen sich dem Entertainment an und sind die Unterhalter des jeweiligen Mediums.

So hat sich die simple Codierung des Sports in Sieg und Niederlage, die ehemals sinnstiftend dem habitualisierten Sportverständnis entsprach, zu einem dramaturgischen Element zur Implementierung von Marketingstrategien des Sport-Medien-Komplexes gewandelt.”

Schauerte, 2004: S. 95

 

2003: Die Sportschau kehrt zurück – und erfindet sich neu

Und die „Sportschau“? Diese existierte als öffentlich-rechtliche „Grundversorgungs-Plattform“ natürlich weiter, durfte jedoch nur noch samstags in einer halbstündigen Sendung Nachrichten aus der Fußball-Bundesliga beleuchten.

Dies sollte sich erst 2003 ändern. Denn nach der Pleite des Kirch-Konglomerats im Jahr 2002 verlor das „ran“-Format der damaligen Kirch-Tochter Sat. 1 seine Bundesliga-Erstübertragungsrechte.

 

Infolge dessen griff die ARD zu und überträgt seit der Saison 2003/2004 wieder als erster Free-TV-Sender Bilder vom aktuellen Spieltag am Samstag – dies jedoch nicht mehr in der bisherigen Nachrichten-Form, sondern ebenfalls mit starkem Fokus auf Entertainment-Aspekte.

 

Gewährleistet werden sollten diese durch zahlreiche „Überläufer“ aus dem privaten Sektor, wie etwa Matthias Opdenhövel (ehemals Pro Sieben) oder ran-Sportchef Reinhold Beckmann, der den neuen Charakter der Sportschau in seiner ersten Sendung wie folgt beschrieb:

„Wenn Kahns Freundin zur Begrüßung den Kaiser (Franz Beckenbauer, Anm.) busselt, sehen Sie das womöglich auch bei uns. Aber nicht zehnmal und in Super-Zeitlupe.“

Es darf also festgehalten werden: Der Bundesliga-Fußball in der „Sportschau“ hat überlebt. Allerdings auch nur, weil seine Präsentation mittlerweile den Ende des vergangenen Jahrtausends vorgenommenen Weichenstellungen des Privatfernsehens folgt.


 

Sport und Privat-TV – eine lukrative, aber auch eine fordernde Beziehung

Anfang der 1990er Jahr begannen Privat-Kanäle wie RTL und vor allem der Pay TV-Anbieter Premiere (Vorgänger von Sky) zudem damit, live über Formel 1-Rennen (RTL und Premiere), Boxkämpfe (RTL) sowie die Fußball-Bundesliga (Premiere) zu berichten.

 

Die “Spektaklisierung” des Sports

Absicht dahinter war und ist es, diese Ereignisse zu „Mega-Events“ hoch zu stilisieren. All dies freilich einmal mehr mit dem Ziel, möglichst viel Publikums-Aufmerksamkeit für die zahlenden Werbeträger zu erzeugen

Schließlich muss sich der sündhaft teure Rechte-Erwerb für die Ausstrahlung derartiger Premium-Produkte für die Sender ja irgendwie auch rechnen. Nicht zuletzt deshalb wurde die Sendezeit rund um das sportliche „Spektakel“ auch beträchtlich in die Länge gezogen.

Das Drumherum um die jeweiligen Sportereignisse nahm folglich noch mehr Bedeutung als zuvor ein, sodass der eigentliche Wettkampf irgendwann nur noch einen Bruchteil der eigentlichen Übertragungsdauer ausmachte.

So etwa bei WM-Boxkämpfen, die in aller Regel auf 12 Runden à zwei Minuten (Gesamtdauer: 24 Minuten) angesetzt sind, inklusive Show und Spektakel jedoch mindestens drei Stunden Sendezeit eingeräumt bekommen.

Livesport wird demnach nicht mehr nur öffentlich zugänglich gemacht, sondern von den Medien selbst produziert.

 

„Herberger sagt: Ein Spiel dauert 90 Minuten. Im Fernsehen dauert kein Spiel mehr 90 Minuten.
Herberger sagt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Fernsehen sagt: Nach dem Spiel ist zurück zum Spiel.
Herberger sagt: Das nächste Spiel ist das schwerste. Fernsehen sagt: Das jetzige Spiel ist das schönste.
Herberger sagt: Der Ball ist rund. Fernsehen sagt: Der Ball ist noch viel runder.“

– Johannes Taubert, 1996: S. 29

 

Mediatiserung oder Tod – Sportverbände unter ständigem Druck

Dadurch bekamen im Laufe der Jahre zwar immer mehr Sportarten eine „Live-Plattform“, doch waren diese eben nur solange interessant wie die Quote stimmte – wofür es nicht zuletzt auch sportliche Erfolge und Helden à la Michael Schumacher benötigte.

 

Bezeichnend hierfür ist die unmittelbare Berichterstattung des Privatsenders RTL von Skisprungbewerben, die rund um die Jahrtausendwende Millionen TV-Zuseher an die Bildschirme lockte, nach einem Leistungseinbruch der deutschen Idole später jedoch wieder eingestellt wurde.

 

Daraus lässt sich folgern: Will eine Sportart an die großen Fleischtöpfe der Privat- und Pay TV-Sender, unterliegt sie dem ständigen Zwang, Helden zu produzieren, welche mit sportlichen Erfolgen die Aufmerksamkeit des Publikums generieren.

Jedoch sind es nicht allein die Idole, die eine Sportart für einen Privatsender interessant machen. Mindestens genauso wichtig erscheint diesbezüglich die Eignung einer Disziplin, im Fernsehen dargestellt zu werden und dabei möglichst wirkungsvoll einen langen Sendzeitraum zu befüllen.

Je besser ihr dies gelingt, umso „telegener“ performt sie. Um besagter Prämisse gerecht zu werden, galt und gilt es für manche Sportarten jedoch einschneidende Veränderungen in Kauf zu nehmen. Resultat davon ist ein bis heute anhaltende Mediatisierung des Sports.

 

Diesem eng mit der Ökonomisierung der Medien einhergehenden Phänomen können Sportverbände in vielerlei Hinsicht Rechnung tragen – etwa durch…

  • …Eingriffe in den Charakter der Sportart (z.B. Ballervergrößerung im Tischtennis, um das Spiel langsamer zu machen)
  • …Technologische Innovationen (z.B. durch Installierung zusätzlicher Kameras)
  • …Änderungen im Regelwerk (um die Spannung zu erhöhen)
  • …„Spektaklisierung“ / „Eventisierung“ (Eröffnungsfeier, Rahmenprogramm etc.).
  • …gezielte Inszenierung und „Framing“ („Vorgeplänkel“ bei Boxkämpfen, „David gegen Goliath“-Duelle, patriotische Erzählmuster etc.)
  • …Anpassung des Terminkalenders an mediale Wünsche
  • …oder Personalisierung (z.B. ständige Hervorhebung von Ikonen wie Cristiano Ronaldo)

 

Ein Paradebeispiel für diese Entwicklung liefert der Tischtennis-Sport, der für das Fernsehen nicht nur die Farbe der Wettkampf-Tische und die größe der Bälle, sondern obendrein auch seine Zählweise veränderte:

Anstatt wie bisher nach Erreichen der 21-Punktemarke endet ein Satz nun schon bei elf Punkten. Dafür gehen die Partien nicht mehr über zwei, sondern über drei Gewinnsätze. Sinn dieser Maßnahme ist, große Punktabstände zu vermeiden, um die Spannung während einer Partie dauerhaft hoch zu halten.

Einen ähnlichen Prozess durchlief übrigens die Hallensportart Volleyball, bei der die Zählweise ebenfalls im Sinne einer packenderen Dramaturgie verändert wurde.

 

Video: An den Worten von Trainer-Ikone Jürgen Klopp zeigt sich, dass Regeländerungen bei den Sportlern nicht immer auf Gegenliebe stoßen – erst recht nicht, wenn sie der ohnehin schon allgegenwärtigen Kommerzialisierung Rechnung tragen. (Quelle: YouTube/SPOX)


 

Und auch die Formel 1 blieb von dieser Entwicklung nicht verschont. Hier wurde unter anderem die Punktevergabe neu gestaffelt, um die Spannung im WM-Titelkampf möglichst bis zum Saisonende im Herbst aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus haben die Medien längst entscheidenden Einfluss auf die Terminierung der Wettkämpfe.

„Erinnert sei hier nur an die zeitliche Streckung von früher auf einen Tag konzentrierter Wettkämpfe auf mehrere Tage (so der Spieltage der 1. und 2. Fußballbundesliga von Freitag bis Montag) oder an die festen Dienstag-bis-Donnerstag-Termine der drei europäischen Fußballpokale (anstatt des traditionellen Mittwochs).“ (Stiehler, 1997: S. 9)

Daraus lässt sich folgern: Die Sportverbände sehen sich heutzutage ständigem Druck ausgesetzt, den Anforderungen privater TV-Anbieter zu entsprechen.


 

Chancen und Risiken der Mediatisierung für den Sport

Das Kreuz, den Anforderungen der „schönen neuen Fernsehwelt“ gerecht zu werden, nehmen die Sportverbände jedoch erst einmal gerne auf sich.

Einerseits, weil Live-Übertragungen die öffentliche Wahrnehmung ihrer Sportart zum Positiven verändern können; andererseits, weil durch lukrative TV-Verträge Unsummen an Mehreinnahmen winken.

Klar ist zudem, dass Verbände aus dem gegebenen Medieninteresse an ihrer Sportart gleichermaßen einen Nutzen ziehen wollen – etwa durch die Aufstockung der Teilnehmerzahlen von Großereignissen (z.B. Fußball-EM und WM), um noch mehr TV-Präsenz und Einnahmen zu generieren.

Die Krux ist jedoch, dass die privaten Medien sich in ihrer Berichterstattung nur auf sehr wenige massentaugliche Sportarten beschränken. Der Pluralismus der im TV gezeigten Sportarten bleibt dadurch mehr und mehr auf der Strecke.

 

Infografik: König Fußball regiert | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

 

Dies wiederum führt zu einer immer beträchtlicheren Kluft zwischen armen und reichen Sportarten.

Sprich: Verbände publikumswirksamer Sportarten verdienen sich eine goldene Nase, während ein Großteil der anderen entweder ganz durch die Finger schaut oder „Billig-Deals“ mit Spartensendern (z.B. Sport1 und Eurosport) eingehen muss.

Ein Phänomen, das sich im Übrigen auch in Bezug auf manche Sportarten beobachten lässt. Man nehme nur die ungleiche Verteilung der Fernsehgelder im Fußball, von der vielbeachtete Top-Klubs enorm profitieren, wohingegen Durchschnittsvereine systematisch klein gehalten werden.

Dabei heraus kommt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die zweifelsohne auch den sportlichen Wettbewerb gefährdet. Bestes Beispiel: Die seit Jahren anhaltende Dominanz von Serienmeister Bayern München in der Bundesliga.

 

 

Weitere Negativ-Folgen:

  • Es findet eine ziellose Vermehrung der Sportaktivitäten bei einer gleichzeitigen Gefährdung traditioneller Sportarten statt.
  • Der Hochleistungssport weist ein Legitimationsproblem auf, welches immer weniger lösbar erscheint.
  • Die Risiken im System des Sports erhöhen sich. Davon betroffen ist insbesondere die Finanzierung der Vereins-und Verbandsarbeit.
  • Das eigentliche ökonomische Fundament des Sportsystems – die Ehrenamtlichkeit – wird zunehmend gefährdet.
  • Der Generationenvertrag ist in den Sportverbänden brüchig geworden.
  • Die Ressource „erfolgreiche/r Athlet/in“ ist nur noch schwach gesichert.
  • Der Sport als Konsumgut mit seinen Sportarten wird zu einer austauschbaren Wegwerfware.
  • Der Sport verliert zunehmend seine ethisch-moralischen Grundlagen.
  • Der Sport verliert seine Authentizität.
  • Die Diskrepanz zwischen den Funktionen, welche der Sport erfüllen soll und welche er zu erfüllen in der Lage ist, wird immer größer.
  • Die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Motiven des Sporttreibens und den Motiven, welche durch die Medien dargestellt werden, wird immer problematischer.

(Quelle: Bundesamt für politische Bildung, „Sport und Medien Aspekte einer vielschichtigen Beziehung“, S. 14)

 

Wie zu Beginn dieses Abschnitts bereits angeschnitten, birgt die Berücksichtigung im Privatfernsehen für Sportarten sowie deren Verbände, Athleten und Zuschauer aber auch jede Menge Chancen.

An vorderster Stelle steht dabei der Faktor Imagegewinn. Erst recht, weil von einem solchen nicht nur die Verbände sondern, auch die Athleten stark profitieren – sei es in Form höherer Einkünfte, besserer Trainingsmöglichkeiten oder des gesteigerten Zuschauerinteresses.

Abgesehen davon erhöhen die Sporttreibenden durch Auftritte im TV natürlich auch ihre eigene Popularität, was sie wiederum interessanter für Werbepartner macht.

Auf zahlungskräftige Sponsoren dürfen die im TV abgebildeten Verbände freilich gleichermaßen hoffen. Zumal diese obendrein dabei helfen, fernsehtaugliche Top-Events zu finanzieren, um so möglichst viele neue Zuschauer für die eigene Sportart zu begeistern.

Last but not least profitieren vom Einstieg des Privatfernsehens natürlich auch die Zuschauer, denen heute tagtäglich ein riesiges Programmangebot zu verschiedensten Sportevents zur Verfügung steht.


 

Von Briegel bis Beckham – wie aus Lizenzspielern mediale Helden wurden

Manch einer erinnert sich vielleicht noch an Hans-Peter Briegel – jenen ehemaligen DFB-Nationalspieler, der aufgrund seiner mächtigen Statur „Die Walz aus der Pfalz“ genannt wurde und in den 1980er Jahren sinnbildlich für den Knochenjob Fußball-Profi stand.

Als sportliche Ideale galten seinerzeit insbesondere Fairness und Wettkampfgeist. Persönliche Vermarktung hingegen war vielerorts verpönt.

Unterstrichen wurde dies mitunter auch durch Briegels rustikales Erscheinungsbild, das mit den glamourösen VIP-Auftritten heutiger Stars wie Cristiano Ronaldo oder David Beckham nur wenig gemein hatte.

 

Hans-Peter BriegelBild: Szene aus dem WM-Finale 1986 – Hans-Peter Briegel (r.) nimmt den Argentinier Jorge Valdano in die Mangel. (© STAFF/AFP)

 

Schuld an diesem längst nicht mehr wegzuleugnenden Gegensatz zwischen damals und heute ist in großen Teilen auch die mediale Helden-Inszenierung durch das Privatfernsehen.

Denn: Aus den einstigen Lizenz-Spielern sind durch das Aufkommen des „Sport-Medien-Komplexes“ mittlerweile schillernde VIP‘s, Social Media Superstars und gefragte Werbe-Testimonials geworden. Seitens der Profis werden diese Rollen allerdings auch gerne angenommen.

Nicht zuletzt deshalb, weil sich das eigene Ich dadurch noch profitabler vermarkten lässt. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat das sogenannte „Personality-System“ der Medien, das unentwegt darauf aus ist, „Prominenz“ zu produzieren.

Dies bleibt für den Sport freilich nicht folgenlos. Wichtig ist so nämlich fast ausschließlich nur noch jener Sport, in dem es „Ausnahme-Personen“ gibt – deren Ikonenstatus zudem immer weniger sportlichen Leistungen geschuldet ist (Stiehler 1997, 10).

Man orientiere sich nur am Beispiel David Beckhams, der gegen Ende der Nullerjahre – obwohl sein Leistungszenit bereits überschritten war – immer noch die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zog. Daran änderte sich im Übrigen auch nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn nichts.

 


 

Schließlich zählt der in L.A. lebende Engländer heute – ähnlich wie Deutschlands Tennis-Idol Boris Becker um die Jahrtausendwende – zu den Paradebeispielen für die Fortsetzung sportlicher Karrieren in den Medien, im Showbusiness oder in der Werbung.

So kommt es, dass David Beckham, Cristiano Ronaldo & Co. heute „Trendsetter in Sachen Lifestyle, Mode und Werthaltungen“ sind. „Aus Sportstars sind Markennamen geworden, die von den Medien und der Wirtschaft gepflegt und für die eigenen Ziele instrumentalisiert werden“ (Schauerte, 2004: S. 44).


 

Verschwindet der Fernsehsport hinter der „Bezahlschranke“?

Ein weiteres Phänomen des dualen Rundfunksystems (privat & öffentlich-rechtlich) in Bezug auf den Sport ist der starke Bedeutungszuwachs von Pay-TV-Angeboten.

Einhergehend mit der stetig wachsenden Bereitschaft der Seher, für exklusive Angebote im Fernsehen zu bezahlen, nehmen derartige Produkte längst auch im „Sport-Medien-Komplex“ eine tragende Rolle ein.

Zum einen für die Anbieter, die mit den exklusiven Erstverwertungsrechten an Sportereignissen einen Großteil ihrer Abonnementen gewinnen; zum anderen für den Sport selbst, dessen Vermarktung seit Aufkommen des Bezahlfernsehens immer lukrativer wird.

Profiteure dieser Entwicklung sind insbesondere publikumswirksame Sportarten wie Fußball, Tennis oder die Formel 1, für die Pay TV-Anbieter wie Sky immer exorbitantere Preise bezahlen, um sich im Bieterbewerb zu behaupten.

Sowohl die gebührenfinanzierten Rundfunkanbieter, als auch die herkömmlichen Privaten können bei diesen Summen schlichtweg nicht mehr mithalten. Bestes Beispiel: Die jüngste Vergabe der Erstverwertungsrechte für die UEFA Champions League.

Diese wird zwischen 2018 und 2021 zum ersten Mal gänzlich aus dem Free-TV gestrichen und ausschließlich beim Bezahlsender Sky sowie dessen Kooperationspartner, dem Streaming-Dienst DAZN, zu sehen sein.

Leidtragende dieser Entwicklung sind die Fans ohne Pay TV-Abo, für die der Sport dadurch zunehmend hinter einer „Bezahlschranke“ (engl.:„Paywall“) verschwindet – am Beispiel Deutschland also die Zuschauer des ZDF, das bis einschließlich der Saison 2017/18 die Free-TV-Rechte an 18 Partien der Königsklasse hielt.

„Wir hätten unseren Zuschauern gerne auch über 2018 hinaus die Livespiele der Champions League gezeigt“, rechtfertigt sich Intendant Thomas Bellut. Deshalb hätte man ein „sehr gutes Angebot“ hinterlegt.

Als beitragsfinanzierter Sender habe es dafür aber eine klar definierte Obergrenze gegeben, die von den neuen Rechteinhabern Sky und DAZN jedoch deutlich überboten worden sei.

 

Video: Ab der kommenden Saison wird Champions League erstmals ausschließlich im Pay TV zu sehen sein. (Quelle: YouTube/N24)


 

Allerdings: Der Verlust der Champions League-Übertragungsrechte war aus Sicht der Öffentlich-Rechtlichen nur die Spitze des Eisberges.

Zuvor hatten ARD und ZDF nämlich bereits die Rechte an der Fußball-Nationalmannschaft auf dem Weg zur EM und auch zur WM an den Privatsender RTL verloren. Ja sogar die Olympischen Spiele sehen deutsche Free TV-Zuschauer künftig nur noch teilweise ohne Extra-Kosten – bei Discovery und Eurosport.

Verschwindet der Sport also irgendwann komplett hinter der Bezahlschranke?

Soweit wird es wohl nicht kommen. Sind es doch nur einige wenige Sportarten, die aufgrund ihrer „Massentauglichkeit“ in den Fokus der Pay-TV-Anbieter rücken. Bezüglich dieser bleibt die weitere Entwicklung jedoch besorgniserregend – zumindest was die Ausstrahlung im Free-TV anbelangt.

Grund dafür ist eine zunehmende Individualisierung im Mediennutzungsverhalten, im Zuge derer neben dem Bezahlfernsehen auch Sport-Streamingdienste im Web zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zumal diese – verglichen etwa mit Sky – obendrein deutlich erschwinglicher anmuten.

Ein Trost bleibt aber: Absolute Ausnahmeereignisse, wie zum Beispiel ein Champions League-Finale mit deutscher Beteiligung, müssen weiterhin im Free-TV zu sehen sein. Das ist im Rundfunk-Staatsvertrag so festgelegt.

 

Quellen:

1) http://www.bpb.de/gesellschaft/medien/deutsche-fernsehgeschichte-in-ost-und-west/143155/kommerzialisierung-des-sports
2) https://www.11freunde.de/artikel/chronik-die-entwicklung-der-tv-rechte-im-deutschen-fussball
3) https://www.hdm-stuttgart.de/~glaeser/files/beitr%E4ge/Stuttgarter%20Beitr%E4ge%20Nr_5.pdf
4) Gottlieb Florschütz, Sport in Film und Fernsehen: Zwischen Infotainment und Spektakel, Wiesbaden, 2005, 12-20.
5) Hans-Jörg Stiehler, Mediensport als Unterhaltung. Allgemeinplätze zu medialen Inszenierungen, Essen, 1997, 01-15.
6) https://www.welt.de/fernsehen/article2945118/Wie-die-Privatsender-Deutschland-locker-machten.html
7) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/30-jahre-privatfernsehen-ich-bin-ein-sender-holt-mich-hier-raus-12733660.html
8) Thorsten Schauerte, Hans-Jörg Schwier (Hrsg.), Die Ökonomie des Sports in den Medien, Köln, 2004, 44, 95.
9) Johannes Taubert: Budenzauber. Fußball im Fernsehen – Szenen einer Ehe. Hattrick Fußballmagazin
Heft 6/1996, S. 29.
10) https://www.tz.de/sport/mehr/kommentar-absurden-auswuechse-kommerz-im-sport-7180524.html
11) https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/kontext/sport-kommerz-spiel-entertainment-macht-fernsehen-geld-pay-tv-champions-league/-/id=4352076/did=19621018/nid=4352076/1bqy07h/index.html
12) Bundeszentrale für politische Bildung: Tele-Visionen – Fernsehgeschichte in Ost und West. Sport und Medien – Aspekte einer vielschichtigen Beziehung, S. 14.